Dienstag, 3. März 2009

Die Holics





Wer kennt sie nicht. Die Workaholics, meist arbeitsbesässene Investment Banker. Oder die Shopaholics, kein Geschäft geht an ihnen vorbei in dem sie nicht ihre VISA Karte zücken und mit einem kleinen Täschchen am Arm wieder heraus kommen. Oder die Chocaholics die ihrer Sucht nach der süßen Verführung nicht mal mit einem BMI von 30 ein Ende machen können.
Aber was sind eigentlich die Citaholics?
Ich gebe zu, diese noch unbekannte Menschengattung habe ich erst kürzlich gegründet. Warum? Ich fühle mich dazugehörig und möchte der Menschheit gerne zeigen, dass es uns gibt und das wir genauso wie Workaholics und Shopaholics nichts für unserer Verhalten können sonder psychisch und physisch abhängig sind. Doch was ist nun die Suchtgefahr, die Abartigkeit und der innere Zwang bei den Citaholics?
Der Begriff Citaholic (englisch City = Stadt und alcoholic = Alkohol) bezeichnet das Krankheitsbild eines städtesüchtigen Menschen bzw. der städtesüchtigen Person selbst. Er zeichnet sich in erster Linie durch überdurchschnittliche viele Städtereisen aus, die mehr und mehr zu einem krankhaften Suchtreisen werden.
Doch wie kommt es soweit?
Dazu kann ich nur von meinen eigenen Erfahrungen berichtet.
Es fängt schon von klein auf an. Man ist ein Kind und wächst in einer kleinen 45 000 Einwohner Stadt auf, die bekannt ist für ihre Kugellager- und Stoßdämpferproduktion. Hier verbringt man 17 Jahre seinen Lebens in trostloser Langweile, mit immer den gleichen Menschen um sich rum und den gleichen Aufgaben bis plötzlich etwas passiert. Man macht seiner erste große Reise, in ein fremde, große Stadt. Allein. Beim mir ging es damals nach London. Eine Woche nur ich und die Hauptstadt und da ist es passiert, ich habe mich unsterblich verliebt, in die Stadt, die Menschen, Big Ben, Scones mit clutted Cream und Primarket. Man erlebt eine Woche voller Höhepunkte in einem zustand der Dauereuphorie bis der Tag des Abschieds kommt und man zurück in sein normales Leben kommt. Man verspührt zwar eine gewisse Grundtrauer aber man kann lange von den schönen Erinnerungen zerren. Mir haben sie 5 Jahre gereicht bis ich wieder an dem Punkt war wo mich mein alltägliches, langweiliges Leben in eine monotone Depression geführt hat und ich wusste es gibt nur einen Ausweg. Eine Reise. Ich wollte noch mal diese unvergessliche, spannende Zeit von früher aufleben lassen und entschied mich wieder für London. Aber nein, diesmal reichte keine Woche, diesmal mussten es 3 Monate sein. Und es war wieder eine unvergesslich schöne Zeit. Nur diesmal hielten die Erinnerungen mich nicht so lange über Wasser. Gleich 6 Monate später ging es für einen kurzen Kick nach Paris und weitere 6 Monate später für einen Monat nach New York City und weil es so schön war anschließend gleich weiter nach Los Angeles.
Das war was. Endlich raus aus Europa, über den großen Teich und so lange fliegen, dass man sogar ein Mittagessen bekommt.
So führt sich also das Leben des Cityholics fort. Einmal Luft geschnuppert von der großen, weiten Welt kann er nicht mehr von loslassen. Wie bei jeden Süchtigen hält die Befriedigung unterschiedlich lange an und wird auch in verschiedenen Dosierungen benötigt. Und leider gibt es keine Ersatzdroge.
Es ist einfach ein unbeschreibliches Gefühl sich alleine auf die große Reise zu begeben. Schon Wochen vorher wälzt man Reiseführer, schreibt sich Pläne und to do Listen damit man möglichst viele Eindrücke mitnehmen kann. Die Vorfreude ist sowieso die schönste Freude. Man sieht in seiner normalen,öden Welt, es ist ein mieser Tag, es regnet, man ist schlecht gelaunt und plötzlich sieht man ein Licht am Tunnel und denkt mir einem lächeln auf den Gesicht an die bevorstehende, spannende Zeit, wo man schon in wenigen Wochen ist, und was man machen wird und der Tag ist gerettet. Aber nicht nur die Vorfreude macht den Kick aus. Auch die Trauer, das Heimweh und die Angst. Schließlich ist man ganz auf sich allein gestellt, sieht die Familie lange nicht und vor allem wenn man einen Partner hat vergießt man in den Tagen vor der Abreise das eine und andere Tränchen weil man ihn ja gar nicht verlassen will und so vermissen wird. Aber man muss. Man muss gehen und man muss alle diese Gefühle durchleben, die sich während der ganzen Reise hindurch fort ziehen. Erstmal angekommen in der Ferne wird man erschlagen von den neuen Eindrücken und durchlebt eine emotionale Achterbahn. Jeden Morgen verlässt man das Haus und macht sich auf neue, spannende Endeckungstouren. Man kann und will sich gar nicht vorstellen jemals zurück zu gehen, weil das neue Land einen so bereichert. Doch irgendwann kommt man an den Punkt wo die Euphorie nachlässt, meistens gegen Abend wen man müde und erschöpft ist, sich alleine fühlt und am liebsten in einen Arm kuscheln und nicht mehr alles alleine planen und organisieren möchte. Doch man ist noch so lange alleine... Am nächsten Morgen sieht die Welt jedoch schon wieder ganz anders aus und man startet mit Power und keinerlei Gedanken an den letzten Abend in den Tag.
Ich glaube, dass ist es, was es zur Sucht ausmacht. Diese Hochs und Tiefs. Die Trauer und Freude. Die ganzen Emotionen die man erlebt, gepaart mit den Erfahrungen die man sammelt. Das ist „sich lebendig fühlen“. Danach ist der Cityaholic süchtig und diese Befriedigung findet er nicht in seinem Alltag.
Erfolgreiche Therapien wird es für ihn wohl nie geben. Es gibt nur ein was, was ihn wirklich hielft.
Verständnissvolle Mitmenschen die ihn gehen lass wenn er muss und bei seiner Rückkehr wieder herzlich aufnehmen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

schön!